From Wilhelm Sonder to Ferdinand von Krauss1    16 December 1869

Hamburg d. 16 Decbr. 69.

Lieber Freund,

Wenn Sie im Laufe der Zeit, die seit meinem Anwesenheit in Stuttgart verflossen ist, wahrscheinlich oft auf mich gescholten haben, auf den undankbaren Schlingel, der sich tagelang umherführen lässt und nachher nicht einmal die Zeit findet, sich zu bedanken, so darf ich nicht murren und thue es auch nicht. Soll ich mich nun aber hinsetzen um Ihnen einen lamentablen Brief schreiben u klagen über alle die Hindernisse u Querströmungen u.s.w.? Wozu soll das nützen. Ich hoffe und bitte, Sie sagen, es ist ein Fait accompli und beruhigen sich damit und behalten damit die Ueberzeugung, dass ich es gut mit Ihnen meinte wie Sie es gegen mich sind u auf das eklatanteste bewiesen haben. Ich habe Ihr schönes Stuttgart nicht vergessen, ebenso wenig meine Frau, die mich oft genug gequält hat mit den Worten: wenn Du jetzt nicht schreibst, so schreibe ich! Und das hat Sie so lange gethan bis unser Junge krank wurde und gerade wie Ihre beiden Mädchen die Masern durchmachen musste. bis der böse Tod erst unseren 28 jährigen Neffen, dann die 20 jährige Nichte und zum Schluss meinen lieben Bruder entführte. Doch jetzt genug davon und zu etwas Ihnen angenehmeren. Nachdem in den ersten Tagen dieses Monats Herr Dr Hooker in Kew mir eine durch das Schiff Norfolk erhaltene Kiste zugestellt, durfte ich erwarten, dass die grosse nach Stuttgart bestimmte Kiste jeden Tag nachkommen dürfte. Ich wartete von einem Tag zum andern, es kam nichts, da riss mir die Geduld und veranlasste mich einen energischen Brief an den Spediteur zu richten, was dann auch zur Folge gehabt hat, dass ich gestern Abend die Nachricht erhielt, Kiste u Fass werden mit nächstem Dampfer von London abgehen. Ich vermuthe, dass die verspätete Absendung durch die sonst so prompten Spediteure wahrscheinlich wieder durch den längeren Aufenthalt der […] im Customhouse herrührt. Die durchgehenden Waaren sollen eigentlich gar nicht geöffnet werden, aber die Zollbeamten scheinen es nicht über's Herz bringen zu können, in alle Kisten einzulugen, gelegentlich auch bei nicht gehöriger Aufsicht denn ich erhalte keine Kiste die nicht geöffnet war, trotz mehrfacher Klagen von Seiten meiner u Dr Müllers. Die Hauptsache ist nun aber doch, dass die Sachen da sind, und dass Sie Ihren Antheil baldig nach dem Eintreffen in Hamburg erhalten werden. Aus der Inhaltsliste ersehe ich, dass Ihr Antheil diesmal ein recht grosser u wie es scheint, ein sehr schöner ist. Wenn unser Freund in einem seiner früheren Briefe auch gegen mich äusserte, dass ich Kiste u Fass direct an Sie befördern solle, so hat er dieses später wieder zurück genommen, weil doch zu viel in der Kiste sich befindet, das an andere, mir viel nähere Addressen befördert werden soll. Namentlich wäre es doch zu viel verlangt u wäre mit zu grossen Kosten verbunden gewesen, wenn Ihnen die Versendung nach dem Norden, Schweden und Finnland aufgebürdet worden wäre. Sie können übrigens sicher darauf rechnen, dass wenn ich den für mich bestimmten Antheil, der hoffentlich obenauf liegen wird, abgenommen habe, ich nichts Eiligeres thun werde, als die Kiste zu schliessen u sofort weiter zu senden, da sie mir in meinem neuen Hause gewaltig im Wege steht. Das Fass geht aus dem Dampfschiff sofort auf den Bahnhoff, um Speditionskosten zu sparen, damit habe ich auch nichts zu schaffen.

Ueber die Vergoldung des Gipsklumpens, (ich hätte bald geschrieben Goldklumpens) weiss ich Bescheid, ich werde die Kosten ersetzen.

Möge diese Sendung Ihnen u Ihren allmächtigen Herren Freude u Interesse gewähren, u sie gestimmt machen unsern Freund auf die höchste Stufe seiner Wünsche zu bringen. Sie wissen nun aus unserer mündlichen Unterredung was ich damit meine. Dr Müller hat bedeutend an Ansehn gewonnen durch die Huldbezeugung Ihrer hohen Herrschaften. Er schreibt manchmal, dass man in Deutschland vielleicht über ihn lachen werde wegen seiner Eitelkeit, aber es geht dort einmal nicht anders. Er wäre lange aus seiner Stelle durch die Engländer verdrängt, wenn nicht die ihm zu Theil gewordenen Ehrenbezeugungen ihm soviel Respect, selbst bei den höheren Staatsbeamten verschafft hätten. Darum muss er streben bis an das Ziel, das ihn auch in anderer Beziehung an das Ziel seiner Wünsche zu bringen vermag. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass M. ein zweites Stipendium zu stiften beabsichtigt, so bald er nur die Mittel in Händen hat. Für Ihr Museum wird er für Sie wirken, seitdem ich ihm nun aus Autopsie berichten konnte, dass seine Sendungen an die rechte Stelle gelangen. Vielleicht hat er Ihnen selbst geschrieben, dass die durch ihn hervorgerufene Expedition nach dem Innern von Westaustralien aus, wiederum durch den Betrug der Eingeborenen vereitelt ist, und doch hat er schon wieder eine neue auf dem Tapet nach dem Golf von Carpentaria. Möge er gesund bleiben, dann leistet er noch viel.

Wegen Ihres Europamüden Sohns habe ich mit verschiedenen Bekannten gesprochen, jeder meint, da könne man schwer rathen. Hier empfiehlt man im Allgemeinen mehr den Amur als Japan. Die Hamburger gehen meistens nach Westindien oder Südamerika d. h. nach der Westküste wo es, namentlich in Peru u Chile gesunder ist. In Westindien u Mexiko wird man eher reich, aber ungefähr 1/3 stirbt an Klimafieber oder kömmt mit einer unheilbaren Leberkrankheit zurück. — Die Wahl ist schwer, wer kann wissen, wo den Menschen das Glück sucht u ohne dieses geht es nicht; wer zurückkommt ist in der Regel reich, aber viele bleiben auch da. Wenn Ihr Sohn eine gute Stelle in England hat, so soll er lieber in Europa bleiben, ein thätiger Geschäftsmann könnte in England bestimmt fort. Von Australien wird Müller Ihnen sicher abrathen, dahin geht auch kein Hamburger Kaufmann.

Meine Frau dankt verbindlichst für Ihren freundlichen Gruss, sie empfiehlt sich mit mir Ihrer ganzen Familie bestens, wir hoffen dass die Masern überwunden und Alles wieder im besten Wohlsein sich befinde. Wir hoffen, dass Sie im nächsten Herbst nach Rostock gehen, vorher aber in Hamburg uns besuchen; bringen Sie dann Ihre Frau auch mit.

Nun Gott befohlen

Ihr

W. Sonder

 

Ich lege in die Kiste ein Paket Algen für den verehrten Herrn von Martens, der so freundlich gewesen ist, mir von den Algen der Ostasien Expedition einen Theil zu schenken. Ich bitte Sie um gefällige Beförderung.

Zur Entschädigung für mein langes Schweigen habe ich Ihnen ein Schmerzensgeld zugedacht. Ein Schmerzensgeld in Form eines Australischen Schädels. Das ist doch sonderbar. Ich habe diesen wunderschönen, ganz vollständigen Kopf (mit Gebiss) seit einigen Jahren liegen, er hatte eine andere Bestimmung, seitdem ich aber gesehen, dass derselbe Ihnen im Museum fehlt, bitte ich mit demselben die Lücke neben dem Neuseeländer auszufüllen.

 
 
 
 

[…]2 After Dr Hooker in Kew in the first days of this month delivered a crate to me received by the ship Norfolk, I dared to expect that the large crate destined for Stuttgart might follow on any day. I waited from one day to another, nothing came, then I lost patience and it caused me to direct a firm letter to the forwarding agent, which then had the consequence that yesterday evening I received the news that crate and barrel will go off from London by the next steamer. I suspect that the late dispatch by the otherwise so prompt forwarding agent stemmed from the long stay of the [items of freight] in the customs house. Goods in transit should really not be opened at all but the customs officers seem to be unable to find it in their hearts [not] to pry into all crates, now and again even without proper supervision, as I do not receive any crate that was not opened, in spite of repeated complaints on my part and by Dr Mueller. But really the principal thing now is that the items are there and that you will get your share quickly after arrival in Hamburg. I see from the list of contents that this time your share is a very large one and it seems a very fine one.3 Though our friend remarked to me in one of his previous letters that I should send crate and barrel directly to you, later he withdrew this again, because there is really too much in the crate that is to be forwarded to other addresses much nearer to me. In particular it would ask too much and would be combined with too large an expense, were you to be encumbered with the forwarding to the North, Sweden and Finland. By the way, you can certainly count on it that when I have removed the share destined for me, which it is to be hoped lies at the top, I will do nothing more urgently than to close the crate and immediately forward it on, because it very much stands in the way in my new house. The barrel is going immediately from the steamship to the railway station to save the forwarding costs. I also have nothing to do with it.

I don't know about the gilding of the plaster nugget (I almost would have written gold nugget), I will reimburse the costs.

May this consignment give pleasure and interest to you and your powerful masters, and convince them to bring our friend's desires to its highest level. You know now from our verbal discussions what I mean. Dr Mueller has won considerable respect through the gracious testimony of your distinguished masters. He sometimes writes that people in Germany may perhaps laugh at him because of his vanity, but there is just no other way there. He would long ago have been driven out of his position by the English, had it not been for the honours bestowed upon him that earned him so much respect, even among the senior government officials. Hence he needs to keep pushing towards the goal, and this too may bring him towards his own wishes. I have already said to you that M. intends to establish another scholarship, just as soon as he has the means at hand. He will work for your museum, as I was able to report to him from my own eyes that his consignments have reached the right place. Perhaps he has written to you himself that the expedition arranged by him to the interior of Western Australia has been thwarted again by the deceit of the Aborigines and yet he has already a new one in train to the Gulf of Carpentaria. May he remain in good health, because he will still achieve very much.

[...]4 If your son has a good position in England, he should prefer to remain in Europe. An active businessman could certainly advance in England. Mueller would certainly advise against Australia. No Hamburg merchant goes there.

[…]5

MS annotated by Krauss 'R. 21. März' [Replied 21 March]. Letter not found.
Text unrelated to M not translated.

The following note appears among the files at the Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart, on the back of an inter-departmental letter dated Stuttgart, 2 January 1870 that does not seem to have anything to do with M:

Notizen über Son Sendung

von Dr F. v. Müller im Januar 70.

Die 6 Conchylien von Wintle in Hobartown sind schlecht.

Die Land Conchylien von Tasmania u. von [...] aus Sydney waren gut, auch die Meeresconchylien aus Tasmania. Die Helix No 1. u. 2 aus Tasmania als n. sp. bemerkt habe ich noch nicht bestimmen können.

[Notes on So[nder]'s consignment from Dr F. von Mueller in January 1870. | The 6 shells from Wintle in Hobartown are no good. | The land shells from Tasmania and a [...] from Sydney were good, also the marine shells from Tasmania. I have not yet been able to name the Helix No 1 and 2 from Tasmania, that were marked as new species.]

Text unrelated to M not translated.
Text unrelated to M not translated.

Please cite as “FVM-M69-12-16,” in Correspondence of Ferdinand von Mueller, edited by R.W. Home, Thomas A. Darragh, A.M. Lucas, Sara Maroske, D.M. Sinkora, J.H. Voigt and Monika Wells accessed on 24 April 2024, https://epsilon.ac.uk/view/vonmueller/letters/M69-12-16